Die Büste des ehemaligen Barentiner Bürgermeisters André Marie
„Kunstwerk des Monats“ – so ist die Reihe übertitelt, mit der die Stadt Warendorf monatlich ein Artefakt aus städtischem Besitz in das Bewusstsein ihrer Bürger rücken möchte. Von der Kupfermünze bis zum Hausaltar, vom Kinderspielzeug bis zum Ölporträt reicht dabei das Spektrum der kulturgeschichtlich bedeutenden Exponate, die jeweils für vier Wochen im Mittelpunkt des Interesses stehen und den Blick auf das reiche kulturhistorische Erbe der Stadt lenken sollen.
Die Büste des ehemaligen Bürgermeisters der französischen Partnerstadt Barentin, André Marie (1897 – 1974), der vor 50 Jahren verstarb, ist Kunstwerk des Monats Juni und ist ab Montag, 03.06.24 in der 1. Etage der Stadtverwaltung, Lange Kesselstraße 4-6, zu sehen.
Die aus Alabastergips gefertigte Portraitbüste (58H x 47B x 27T) zeigt einen leicht nach rechts gedrehten Kopf eines Mannes, der in der Robe eines französischen Justizangehörigen mit dem typischen Jabot (einer Art Krawatte aus in Falten gelegtem Batist) dargestellt ist. An der linken Brust sind zwei Ordensspangen zu erkennen, ohne die Art der Auszeichnung preiszugeben. Das langovale Gesicht des Dargestellten ist durch die großen Augen, die streng zurückgekämmten Haare und einen graden, entschlossen wirkenden Mund geprägt.
Die Büste wurde von dem Bildhauer Luc James in den 40er Jahren des 20 Jh. gefertigt. 1977 machten die Barentiner Bürger dieses Kunstwerk den Warendorfern zum Geschenk.
Der aus vier dicken Eichenbohlen gefertigte Sockel ist 51,5 cm breit, 35,5 cm tief, 118 cm hoch. Die beiden Seitenwangen sind als Buchstaben der beiden Partnerstädte ausgearbeitet. Der Buschstabe B für Barentin ist durchbrochen gearbeitet, während das W für Warendorf flächig gearbeitet wurde. Als Abschluss des U-förmigen Podestes wurde eine mit einer Baumkante versehene Baumscheibe verwendet.
In Warendorf ist André Marie vor allem als Bürgermeister der Partnerstadt Barentin in der Normandie bekannt, ein Amt, das er von 1945 bis 1974 innehatte. Weniger bekannt ist jedoch, dass er auch mehrmals als Minister und sogar als Ministerpräsident in Frankreich tätig war. Marie hatte einen großen Einfluss auf die politische Geschichte Frankreichs und der Normandie im 20. Jahrhundert. Fast ein halbes Jahrhundert, von 1923 bis 1974, war er eine prägende Figur im öffentlichen Leben. Er gilt als einer der bedeutendsten Staatsmänner der Normandie im 20. Jahrhundert.
André Marie wurde am 3. Dezember 1897 in Honfleur geboren und starb am 12. Juni 1974 in Rouen. 1916 wurde er für den Ersten Weltkrieg einberufen, wurde zwei Mal verwundet und kehrte mit zahlreichen Auszeichnungen zurück. Nach dem Krieg ließ er sich 1922 in Rouen als Rechtsanwalt nieder und startete eine Doppelkarriere als Anwalt und Schriftsteller. Er trat der Radikal-Sozialistischen Partei bei und wurde von 1928 bis 1962 neunmal in die französische Nationalversammlung gewählt. In dieser Zeit bekleidete er verschiedene politische Ämter, darunter Unterstaatssekretär, Justizminister und fünf Jahre lang Minister für nationale Bildung.
Während des Zweiten Weltkriegs engagierte sich Marie im Widerstand, wurde jedoch im September 1943 verhaftet und ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Dort schrieb er literarische Werke, die die Schrecken der Konzentrationslager dokumentieren. Er wurde am 11. April 1945 von amerikanischen Truppen befreit und kehrte in die Politik zurück.

